Die Vorstellung ist schrecklich: Man befindet sich in seinem Körper, ist bei klarem Bewusstein und nimmt die Umgebung wahr, die Gespräche der anwesenden Personen und ihr Handeln, jedoch die Mitwelt ist nicht in der Lage, meinen klaren Bewusstseinszustand zu erkennen. Ein Empfinden, das vielleicht dem des lebendig Begrabenseins ähneln mag. Genau einen solchen dramatischen Fall stellen die Autoren dieser Studie des Monats, Michael Nahm und Kolleg:innen, vor. Die Situation allein, die einem Horrorfilm entstammen könnte, wäre allerdings noch kein Grund, das Geschehen in einen Zusammenhang mit der Anomalistik zu bringen. Interessant wird er in dieser Hinsicht zum einen durch das Auftreten von außerkörperlichen Erfahrungen (AKEs) und den damit verknüpften Wahrnehmungen, zum anderen durch die Implikationen, die er für unser Verständnis vom Zusammenhang zwischen Bewusstseinstätigkeit und neurophysiologischen Korrelaten hat.
Studie des Monats
Der Autor dieser Studie des Monats kommt aus einem Bereich, in dem man üblicherweise nicht nach Literatur zu Themen der Anomalistik sucht, nämlich dem des Marketing Managements. Mark Tadajewski ist Professor für Marketing an der Universität York und Herausgeber des Journal of Marketing Management, der sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit einem Blick in die Wissenschaftsgeschichte und auch generell über den Tellerrand hinaus erlaubt. Die jüngsten Entwicklungen im technischen Bereich und hier vor allem die Brain-computer interfaces (BCI), die dem für die Parapsychologie zentralen Thema des Geist-Materie-Zusammenhangs (mind-matter) ganz neue Aspekte hinzufügen, haben wohl den Autor dazu gebracht, sich mit Telepathie und den historischen Auseinandersetzungen auf wissenschaftlicher und philosophischer Ebene zu beschäftigen. Man stößt dabei automatisch auf die Frage nach dem (multiplen) Selbst eines Menschen bzw. dessen Identität.
Nahtoderfahrungen (NDEs) haben als Forschungsgegenstand eine erstaunliche Themenkarriere während der letzten Dezennien durchgemacht. Dabei standen für lange Zeit positiv getönte Beschreibungen und Konzeptionen solcher Erfahrungen im Vordergrund, sowohl was das Erleben selbst als auch dessen Nachwirkungen auf das Leben der Betroffenen anbelangt. Ein Grund dafür ist sicherlich die Tatsache, dass leidvoll erlebte Erfahrungen und Aspekte deutlich seltener vorkommen oder zumindest seltener berichtet werden. Die hier als Studie des Monats vorgestellte Untersuchung von Melloul et al. beschäftigt sich speziell mit Berichten von negativ erlebten NDEs. Mit einem qualitativen Forschungsansatz analysierten sie acht Berichte aus einem großen Datenpool der International Association for Near-Death Studies (IANDS), die den Auswahlkriterien entsprachen und eine hinreichend dichte Beschreibung aufwiesen.
Archäologie hat als Wissenschaft eine besondere Anziehungskraft für viele Menschen, die selbst wenig mit Wissenschaft zu tun haben müssen. Dies hat wohl mit dem Symbolhaften, dem Rätsel und der notwendigen Übersetzungsarbeit zu tun, die die Archäologie zu erbringen hat. Mit einem archäologischen Objekt sind Geschichten verknüpft, die in detektivischer Arbeit entschlüsselt werden muss – hierin besteht eine Ähnlichkeit mit der Forensik. Während sich letztere allerdings auf „Geschichten“ von Zeitgenossen bezieht, wo man „Fremdheit“ hauptsächlich auf der psychischen Ebene begegnet, ist es in der Archäologie kulturelle Fremdheit, die durch eine große zeitliche Distanz entsteht und die einen engen Bezug zu mythischen Erzählungen hat. Spätestens mit Erich von Dänikens Büchern – 1968 erschien sein Buch Zurück in die Zukunft – sind alternative Deutungen von archäologischen Funden Teil der Populärkultur. Der Erfolg der Filmreihe Jäger des verlorenen Schatzes (Raiders of the Lost Ark, Spielberg, 1981) und der seit dem Jahr 2009 laufende Serie Ancient Aliens und der von 2022–2024 laufenden Netflix-Serie Ancient Apocalypse verdeutlicht dies.
Im Bereich der Anomalistik spielt die Frage nach dem Realitätsstatus von außergewöhnlichen Erfahrungen eine bedeutsame Rolle. Die Erlebenden fragen sich selbst, ob das, was sie wahrgenommen haben, eine Sinnestäuschung oder eine Halluzination war, oder ob es gar ein Anzeichen einer herannahenden Psychose sein könnte. Der bekannte Psychiater Carl Gustav Jung (1875–1961), der durch sein Konzept synchronistischer Erfahrungen für die Anomalistik von besonderer Bedeutung ist, hatte selbst zeit seines Lebens alle möglichen Formen von außergewöhnlichen Erfahrungen erlebt, die manche seiner Kollegen an seinem Geisteszustand zweifeln ließen, wie man der hier vorgestellten Studie des Monats entnehmen kann.
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