Wenn die Identität und der Status einer Gruppe bzw. eines (Wissens-)Feldes nicht gesichert sind – vor allem in (gesellschaftlichen) Randbereichen – lassen sich oft starke Abgrenzungsbemühungen beobachten.  Eine solche „Grenzarbeit“ (boundary-work) wird dann als wichtig erachtet, da scharfe Konturen fehlen oder nicht als bekannt vorausgesetzt werden können. Sehr auffällig wird dies im Bereich esoterisch orientierter Gruppen, weil der Begriff „Esoterik“ oft negativ konnotiert ist, weswegen das „Wir sind aber anders“ und „Wir gehören nicht dazu“ eine wichtige Rolle spielt. Für die Anomalistik ist das Problem ebenso virulent. Als ein multidisziplinäres und sehr heterogenes Forschungsfeld ist es geradezu prädestiniert für solche Abgrenzungswünsche, denn zur inhaltlichen Vielfalt kommt noch eine unterschiedliche Distanz einzelner zu den Mainstream-Wissenschaften sowie ein unterschiedlicher Grad der Professionalisierung hinzu. Dass diese Auseinandersetzungen bis in die Anfangszeit des Wissenschaftsunternehmens „Parapsychologie“ zurückgehen, zeigt der Historiker Andreas Sommer in seinem Aufsatz „From Dessoir to Rhine“, der jüngst in dem von ihm herausgegebenen Themenheft „The Boundary-Work Issue“ von Mindfield erschienen ist.

Vor kurzem ist der prominente Skeptiker James Randi (1928-2020) gestorben. Als Bühnenmagier war er Teil der Unterhaltungsindustrie und er steht damit in einer Tradition, die Entertainment, Illusion und die Faszination am Wunderbaren und Übernatürlichen verbindet, auch wenn er als ideologischer Skeptiker eine unbeirrbar ablehnende Haltung gegenüber der Möglichkeit paranormaler Phänomene vertrat. In dem hier als Studie des Monats vorgestellten Artikel der Kulturwissenschaftlerin und Historikern Katherina Rein wird der Zusammenhang von Bühnenmagie, der Entwicklung technischer Kommunikationsmedien wie dem Telegraphen und dem Telefon, der „Second Sight“-Illusion, also der scheinbaren telepathischen Verbindung zwischen dem „Magier“ im Publikum und dem sensitiven Medium auf der Bühne, und der Kommunikation mit Verstorbenen in Form des Spiritismus untersucht.

Fast allen, die sich eingehender für paranormale Phänomene interessieren, ist der Name Nina Kulagina ein Begriff, oder er ist ihnen zumindest schon einmal zu Ohren gekommen. Denn Ninel Kulagina – so lautet der korrekte Vorname – ist eine der bekanntesten Psychokineten des 20. Jahrhunderts, die massive Phänomene relativ zuverlässig produzieren konnte – anscheinend mit Willenskraft. Dies zumindest während einer bestimmten Periode ihres Lebens. Das Faszinierende dabei ist, dass sie ausführlich in wissenschaftlichen Labors getestet worden ist und davon gute Dokumentationen existieren. Darunter sind auch einige sehr populär gewordene Filmaufnahmen. Schon früh „klärten“ prominente Skeptiker wie Martin Gardner auf, wie die produzierten Phänomene zustande gekommen seien, ohne es allerdings für nötig zu halten, Kulagina selbst zu untersuchen oder die Untersuchungsberichte der russischen Wissenschaftler ernst zu nehmen. Gardner fällte sein Urteil, indem er sich in New York mit einigen „Magiern“ zusammensetzte und sie gemeinsam die Filmausschnitte betrachteten („we were falling off the chairs laughing“).

Der Biologe Michael Nahm, der sich neben seiner Forschung zu verschiedenen außergewöhnlichen Phänomenen wie z.B. Nahtoderfahrungen, terminaler Geistesklarheit und dem plötzlichen Weißwerden von Haaren auch mit historischen Fallstudien beschäftigt hat, hat in einem bemerkenswerten Unterfangen ein wenig bekanntes Werk des ungarischen Parapsychologen Elemér Chengery Pap (1869–?) studiert und die darin beschriebenen Untersuchungen zu physikalischen Medien zusammenfassend vorgestellt. In dem 1938 erschienenen umfangreichen Buch wird von teilweise spektakulären paranormalen Phänomenen wie Apporten von festen physikalischen Objekten berichtet.

Die Autorin der hier vorgestellten Studie des Monats, Sharon Hewitt Rawlette, hat Philosophie studiert. Ihr Interesse an der Frage nach bedeutungsvollen  oder rein „zufälligen“ Zufällen – die erstgenannten werden in der Terminologie nach C.G. Jung als „synchronistische Ereignisse“ bezeichnet – fand seinen Niederschlag in ihrem 2019 publizierten und mehr als 600 Seiten umfassendes Buch mit dem Titel The Source and Significance of Coincidences. Ebenfalls im letzten Jahr erschien ein Artikel von Rawlette im Journal for Scientific Exploration. Sie greift darin einen Aspekt des Themas auf und behandelt die Frage, inwieweit eine Beurteilung von außergewöhnlichen spontanen Erfahrungen, die subjektiv als synchronistische bzw. psi-basierte Ereignisse interpretiert werden, auf einer wissenschaftlichen Basis getroffen werden kann.