Stimmenhören wurde und wird nach wie vor gerne als Synonym für das Vorliegen einer Psychose angesehen. Zwar haben auch viele schon von Eingebungen und Visionen im Bereich der Religionen und Mystik gehört, aber üblicherweise wird dies nicht dem alltäglichen Bereich zugeordnet. Die besonderen Gesetze, die im Bereich der Mystik gelten, sind weitestgehend ohne Relevanz für den medizinisch-psychiatrischen Alltag. Dass es auch Menschen gibt, die regelmäßig Stimmen hören und dennoch nicht unter Realitätsverlust leiden, die also ihren Alltag sehr gut bewältigen können, ist nur wenigen bekannt. Umso verdienstvoller ist es, dass diese Gruppe nun in einer Vergleichsstudie genauer untersucht wurde.

Dabei wurde ein Vier-Gruppen-Design gewählt, das aus zwei Stimmenhörer- und zwei Nicht-Stimmenhörer-Gruppen bestand. Sowohl bei den Stimmenhörern als auch bei den Nicht-Stimmenhörern war jeweils eine der beiden Gruppe therapeutisch hilfsbedürftig, d.h. an einer diagnostizierbaren psychotischen Störung leidend. Vor allem die Ähnlichkeiten der Erlebnisse der beiden Stimmenhörer-Gruppe sind verblüffend in Anbetracht des unterschiedlichen Umgangs damit, aber auch hinsichtlich anderer Unterschiede. Insofern gibt diese Studie einen wichtigen Hinweis darauf, wie fruchtbar eine differenzierende Sichtweise von außergewöhnlichen Erfahrungen sein kann, die gemeinhin in einer reduktionistischen Sichtweise undifferenziert dem psychotischen Spektrum zugeordnet werden.

Powers, Albert R.; Kelley, Megan S.; Corlett, Philip R. (2017). Varieties of Voice-Hearing: Psychics and the Psychosis Continuum. Schizophrenia Bulletin, 43(1): 84-98