Nachdem die letzte Studie des Monats im Bereich der experimentellen Forschung angesiedelt war, soll dieses Mal ein kulturgeschichtliches Thema behandelt werden.

Die "Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften" widmete im Jahr 2003 eine Ausgabe des Journals dem Thema "Orte des Okkulten". In verschiedenen Aufsätzen werden "Repräsentationsformen und Wahrnehmungsweisen des Okkulten in der westeuropäischen Großstadt zwischen 1880 und 1930 in unterschiedlichen Kontexten und anhand verschiedener Fallstudien" thematisiert (Zitat aus dem Editorial). Der einführende Artikel von Geppert und Braidt umreißt verschiedene Facetten des Themas und ist vor allem durch die Darstellung von vier zentralen Leitkonzepten: Okkultismus, Spiritismus, Mystik und Esoterik interessant. Daneben werden weitere Leitmotive behandelt.

Diejenigen, die noch zusätzlichen Lesestoff für die Sommerferien brauchen, können unter dem angegebenen Link das ganze Heft "Orte des Okkulten" als pdf-Datei finden und sich auch die anderen Aufsätze zu Gemüte führen. Hingewiesen sei noch auf die Arbeit von Kümmel und Steckiewicz "Leipzig 1877: Medienepistemologische Zugänge zu Karl Friedrich Zöllners Experimenten mit Henry Slade". Auch wenn der Ansatz der Autoren nicht nach jedermanns Geschmack sein mag und man der Argumentation nicht unbedingt folgen will - der Gegenstand ist interessant und anregend. Der Astrophysiker und Erfinder der Photometrie, Karl Friedrich Zöllner, ist ein Beispiel dafür, wie stark in jener Phase die Hinwendung zu okkultistischen Fragestellungen die wissenschaftliche Avantgarde an manchen Stellen mitgeprägt hat. (Kulturhistorische Arbeiten, die diesen Punkt thematisieren und mit der klischeehafte Vorstellung aufräumen, die "Anfälligkeit für Okkultes" sei ein Rückfall in das tiefste Mittelalter, werden an dieser Stelle sicher noch vorgestellt werden). Die im Aufsatz teilweise zitierten Protokolle zu den Experimenten, die Zöllner mit dem amerikanischen Medium Henry Slade abhielt und an denen auch berühmte Kollegen wie Wilhelm Wundt und Gustav Theodor Fechner teilnahmen, sind amüsant zu lesen. Slade übrigens wurde, wie so viele seiner Kollegen, im Laufe seiner Karriere einige Male bei Täuschungsversuchen ertappt.

Alexander C.T. Geppert & Andrea B. Braidt (2003): Moderne Magie: Orte des Okkulten und die Epistemologie des Übersinnlichen, 1880-1930. In: Österreicherische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 14 (4) S. 7-35